Die kleine Wohnung in der kleinen Straße, mitten in der Stadt, ist an mich untervermietet. Sie ist liebevoll aus ebay Kleinanzeigen und Strassenfunden eingerichtet. Nur die Küche ist selbst gebaut-stilvoll und schön. Nahezu nichts in dieser Wohnung könnte ich mitnehmen, sollte ich eines Tages ausziehen.
Das kleine grüne Sofa, ein paar Bücher und eine Matratze gehören mir.
Ich bin Anfang fünfzig und stehe nach zweiundwanzig Jahren Familienphase, erneut am Beginn-allein.
In der Vergangenheit -Zeit des Lebens im Vorort- sind drei wunderbare junge Menschen in die Welt getreten: Die Amazone mit blondem Haar und einem Faible für Zahlen, Julius, der grafisch neue Welten erschafft und Metallica auf dem Cello spielt, Karla mit ihrem Lesehunger und der Liebe zum Klavier. Ihnen gelten meine ersten Gedanken am Morgen und die letzten vorm Schlafen gehen.
Es hat geschneit. Ich sehe es als ich mich an den Schreibtisch setze. Kurz im Blog stöbern, bevor der anstehende Lohnsteuerjahresausgleich gemacht werden möchte. Auch die Rentenversicherung will Lücken von 1986-1989 geschlossen haben. Mein Gott wo soll ich das herbekommen? DDR Reliquien. Das Chemiefaserwerk Herbert Warnke in Guben ist heute Wirkungsstätte der Körperwelten. Morbide.
Seit ich 16 Jahre alt bin arbeite ich. In der Familienphase blieb ich anderthalb Jahre zu Hause. Ein Jahr bei Anna, jeweils drei Monate bei Julius und Karla. Das Haus wollte bezahlt werden. Mich hat das Haus nie glücklich gemacht. Ein Haus macht nur glücklich (so vermute ich), wenn es einem nicht die Schlinge um den Hals legt. Finanziell gesehen.
Glücklich gemacht haben mich die Kinder (sie sind das Beste was mir in meinem Leben passiert ist und sie haben unglaubliche Paten an ihrer Seite gehabt), die Freunde, die Arbeit, die Literatur, das Reisen-als es noch möglich war.
Mir stehen nach heutigen Stand in zehn Jahren 1300 Euro Rente zu. Nach fünfzig Jahren Arbeit. Bedingungen wie im Stahlwerk -manchmal. Das System wird mich ausspucken, wie so viele andere auch. Existenzminimum. Wenn ich Glück habe, bin ich noch arbeitsfähig und verdiene mir etwas dazu.
Die Zeit ist knapp im Moment. Ich gehe auf Alexanders Blog, finde Arno Geiger und Rezensionen auf anderen Blogs zum Buch “Das glückliche Geheimnis”. Irgendwie reicht die Zeit im Moment für das Lesen nicht. Ich beschließe jedoch an einem freien Tag dieser Woche, mich in die Buchhandlung zu setzen und in das Buch zu schauen. Mitnehmen werde ich es nicht, egal wie gut es geschrieben ist, aber vielleicht kehre ich an einem anderen Tag wieder zu ihm zurück.
Möwen im Gleitflug unter himmelblauen Februarhimmel ziehen am Fenster vorbei. Im Hiroshimapark blühen Teppiche lilafarbener Krokusse.
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