Montag mit: doch immer imgrunde uns selbst

“Jedes Leben besteht aus vielen Tagen, immer einem nach dem andern.

Wir schreiten durch uns selbst dahin, Räubern begegnend, Geistern, Riesen, alten Männern, jungen Männern, Weibern, Witwen, warmen Brüdern.

Doch immer imgrunde uns selbst.”

Dedalus 9. Kapitel S.318 / Ulysses /James Joyce

Sonntag mit: am richtigen Platz

Eine halbe Stunde vor Mitternacht auf dem nach Hause. Die Bergstraße tobt. Ende Oktober. Laute Musik, flackernde Lichter, Halloweendresscode. Ich kehre von der Arbeit zurück.

Auch hier wurde gefeiert. Was für eine Party.

Krass mit was für einen Ethos manche Menschen leben, denke ich.

Eine Frage der Haltung.

Eine Haltung zur Aufgabe: Eine klare Einstellung zum Miteinanderleben auf Augenhöhe mit allen Verschiedenheiten. Ideale. Der Versuch in die Wirklichkeit zu bringen. Glanz im Blick. Freude. Leben.

Gedanke: Ich sah heute Menschen, die auf dem Platz an dem sie sind, richtig sind.

Schönheit und Wert sind für mich genau dort.

Linie des geglückten Tages.

Samstag mit : und die Vögel singen immer noch

Shakespeare am Morgen. Dedalus in der Nationalbibliothek im Disput über:

Wie Hamlet zu lesen sei. biografisch oder phänomenologisch?

Zwischen Skylla und Charybdis.

Ein Vogel singt, als würde der Frühling beginnen.

Erinnere mich an The temptest im Ernst – Barlach Gymnasium.

Der Hammer. Caliban- unglaublich. Nie mehr vergessen das Bild.

Shakespeare haut mich um-immer.

Und sonst?:

Eine die ihren Cafestand im Park aufbaute: Hafermilch, sagte sie, ich brauche noch Hafermilch. Das ist ganz wichtig.

Mit Stiefeln durch raschelndes Laub. Mütter mit Säuglingen – überall. Sonne satt.

Abends auf dem Fensterbrett treiben Böen trockenes Laub vor sich her.

Sehe Fotos im Zeitmagazin. Vom letzten Tag der Erde.

Immer noch Montag-ausgesperrt

Es klingelt. Entschlossen. Ich bin gerade beim Wohnungsputz. Freie Tage müssen genutzt werden. 8.30.

Den dritten Monat wohne ich jetzt hier. Ein Polizist. Der dritte in drei Monaten.

Sie sind Frau W? Ja das bin ich.

Ihr Auto wurde angefahren.

Die Treppen herunter. Eine Frau hat die Stoßstange berührt. Sehen sie was?, frage ich die Polizei. Ich sehe nichts.

Kein Schaden. Sie muss nicht zahlen, aber ich.

In der Hektik – der Wohnungsschlüssel drin- ich draussen.

Zum Glück ein freier Tag und ein Cafe nebenan. Obwohl ich jeden Tag vorbei lief, besuchte ich es bisher nicht. Sehr nett. Auch hier.

Milder Morgen.

Rückblick-ein Wochenende in Berlin mit Wochenheim, Aufruhr in der U-Bahn und Hunger

Sina wohnt hoch über den Dächern Berlins.

Partiell ähnliche Erfahrungen einer Kindheit in der DDR. Wochenheim. Die DDR brauchte die Arbeitskraft der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, ebenso wie die Reproduktion.

Ein Spagat. Mitunter schwer zu meistern. Schichtdienst, Alleinerziehend, Studium. Die Möglichkeit, sollten die langen Öffnungszeiten der Krippen und Kindergärten nicht ausreichen, das Kind in die professionellen Hände von Erzieherinnen in eine Wochenkrippe oder Wochenheim (3-6) zu geben. “Montag hin- Freitag zurück.” Zitat aus “Bevor wir gehen”

Kompakte Fremdbetreuung.

Schauspielerin Claudia Graue https://claudiagraue.de/ setzt sich mit ihrem Projekt: “Wir Wochenkinder” mit der Thematik auseinander. Den Nichtgehörten eine Stimme geben. Der Anlass der Berlinreise: die Möglichkeit ihr ein Interview zu geben.

Eine intensive Reise zurück in das fünfte Jahr. Claudia Graue machte es- auch durch ihr selbst betroffen sein-möglich, sich dieser Erfahrung gut zu stellen, in den Austausch zu kommen. Sympathisch und empathisch in der Gesprächsführung.

Und sonst?: Sina holte mich vom Bahnhof ab. In die U-Bahn stieg eine Mittfünfzigerin zu. Hager, sportlich, grauhaarig. Positionierte sich und ließ ihre Stimme laut erschallen, im oberlehrerhaften Ton: Ich sage es jetzt noch einmal! Es gibt eine Maskenpflicht in U_Bahnen!

Langer Text. Doch damit nicht genug.

Schritt auf einen Typen mit vermutlichen Migrationshintergrund zu.

Beschimpfte ihn als Scheiss patriarchal geprägten, Eierschaukelnden….Den Rest erspare ich dem Leser. Ich wunderte mich, dass er ruhig blieb ob der zornig aggressiven Verwünschungen.

“Hören sie doch auf, rief eine Mittzwanzigerin: Wir haben genug Krieg- Ukraine

Essen: In Neukölln göttliche Schawarma gegessen. Die Portionen waren nicht zu schaffen. Wir bekamen Doggybags.

Ich liess es auf der Bank in der U-Bahnstation, später, kurz unbeaufsichtigt. “Huch wo ist das Essen?” Eine Frau sah mich schuldbewusst, unsicher an. Das Paket bereits in ihrer Plastiktüte.

Berlin: wild, schräg, schnell, multikulturell. Krass sichtbare Armut auf den Straßen.

Einer lief im Zickzack seinen Weg. In großen Schritten. Pantherhaft. Erinnerte mich an Den im Ulysses, der sich stets nur an der Außenseite der Laternen entlang bewegte

Man kommt auf verschiedene Arten durchs Leben.