“Die Nacht des zwölften zum dreizehnten Oktober schwieg in deutschen Wäldern; ein müder Wind schlich über die Äcker, schlurfte durch die finstren Städte des Jahres vier nach Hitler, kroch im Morgengrauen ostwärts über die Elbe, stieg über die Erzgebirgskämme, zupfte an den Transparenten, die schlaff in den Ruinen Magdeburgs hingen, ging behutsam durch die Buchenwälder des Ettersberges hinab zum Standbild der beiden großen Denker und den Häusern der noch grösseren Vergesser, kräuselte den Staub der Braunkohlegruben, legte einen Augenblick sich an das riesige Fahnentuch vor der Berliner Universität Unter den Linden rieselte über die märkischen Sandebenen und verlor sich schliesslich in den Niederungen östlich der Oder.

Es war eine kühle Nacht, und den Menschen in den schlecht geheizten Wohnungen fröstelten. Die Herbstkälte schlich sich in ihre Umarmungen und ihr Alleinsein, ihre Hoffnungen und ihre Gleichgültigkeit, ihre Träume und ihren Zweifel….

Die ersten Schichtarbeiter zogen in die Fabriken. Die Plakate welkten im Wind.”

Werner Bräunig “Rummelplatz”

2 Gedanken zu “

    • Ich bin auch immer sehr berührt. Und diese Angst der DDR Regierung vor diesem Werk. Schade, dass er nicht mehr erleben konnte, dass das Buch doch noch das Licht der welt erblickt hat.

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